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Teil I

Nutzen und Merkmale eines Lernprogramms

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2. Das Lernprogramm

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(2) Erfolgskriterium

Bevor Sie Ihr neues partnerschaftliches Konfliktverhalten durchführen, sollten Sie für sich formulieren, was Sie als einen Anwendungserfolg ansehen:

  • Möglicherweise tendieren Sie dazu, den Erfolg festzumachen am Ergebnis Ihrer Intervention: Ist der andere zu einer Verhaltensänderung bereit, könnten Sie das als Erfolg ansehen und ist der andere hierzu nicht bereit als Misserfolg.

Während eine Zuschreibung des Erfolgs auf Ihre neuen Fähigkeiten durchaus sinnvoll ist, da dies Sie motiviert, weitere Anwendungen durchzuführen,  ist eine Zuschreibung des Misserfolgs auf die eigene Person demotivierend und zugleich auch nicht angebracht. Der Misserfolg kann von Faktoren abhängig sein, die von Ihnen nicht zu beeinflussen sind.

  • Da es wichtig ist, dass Sie gerade zu Beginn von Anwendungen Erfolgserlebnisse haben, sollte das formulierte Erfolgskriterium Ihnen eine hohe Erfolgschance geben.

Ein derartiges Kriterium könnte so lauten: Es ist schon ein Erfolg, wenn ich gegenüber einer anderen Person auf ein Problemverhalten mit einem anderen Verhalten als dem gewohnten antworte.

So kann bei den ersten Anwendungen schon als Erfolg angesehen werden, wenn man zunächst einmal mit einem partnerschaftlichen Konfliktverhalten beginnt, auch wenn im Laufe des Gesprächs sich möglicherweise wieder alte Gesprächsverhaltensweisen einschleichen.

Ist das neue Verhalten von Ihnen schon mehrmals  angewandt worden, so könnten Sie dann das Erfolgskriterium verändern.

Besteht ein partnerschaftliches Konfliktlösungsverhalten zumeist aus mehreren spezifischen Fähigkeiten, so könnten Sie zunächst das Ausführen einer Fähigkeit als Erfolgskriterium nehmen und dann sukzessive immer weitere Fähigkeiten miteinbeziehen.

Denken Sie daran, dass das Erfolgskriterium auf Ihre Ihnen jeweils aktuell vorliegenden Fähigkeiten zugeschnitten sein muss. Berücksichtigen Sie das nicht, führt das dazu, dass sich Misserfolge einstellen, die Sie entmutigen und zu einem frühzeitigen Abbruch des  Lernprogramms führt.

(3) Formulierung von Absichten

  • Entscheiden Sie sich dazu, das Lernprogramm durchzuführen, so könnten Sie eine allgemeine Absicht formulieren, die sich einmal auf das Lernprogramm insgesamt beziehen kann :

  • Sie sagen sich: „Das Lernprogramm schein ja interessant zu sein. Ich werde demnächst einmal damit beginnen.“

  • Eine allgemeine Absicht können Sie jedoch auch beziehen auf spezifische Lernblöcke und darin enthaltene theoretische Ausführungen, Übungen oder Anwendungen im Alltag:
  • Sie sprechen zu sich: „Ich werde demnächst mir die Theorie x durchlesen (den Übungsteil x oder Wissen x im Alltag anwenden).“

Formulieren Sie eine Absicht in allgemeiner Weise, führt das dazu, dass Sie sich wenig verpflichtet fühlen, der Absicht auch Taten folgen zu lassen. 

Bei einer allgemein formulierten Absicht können Sie sich bei Nichtrealisierung damit beruhigen, dass  Sie ja irgendwann vorhaben, die Absicht in die Tat umzusetzen. Mit der Zeit verschwindet dann die Absicht aus dem Gedächtnis.

  • Wird das Formulieren einer allgemeinen Absicht negativ bewertet, so haben Sie die Möglichkeit, Absichten in einer präzisen Art und Weise zu bestimmen. 

Die präzise Absicht besteht dabei aus folgenden Komponenten: Sie sagen konkret, welches Verhalten Sie gegenüber welcher Person bei welcher Gelegenheit oder zu welchem Zeitpunkt zeigen wollen.

So ärgern Sie sich nachmittags zu Hause, als Sie gerade daran denken, dass Ihr Arbeitskollege heute morgen zum wiederholten Mal gelüftet hat, ohne das Fenster zu schließen und Sie so bei Ihrem Eintreffen am Arbeitsplatz in ein kaltes Zimmer kamen. Sie formulieren deshalb die Absicht: „Wenn ich morgen früh am Arbeitsplatz bin, werde ich Horst in der Frühstückspause mitteilen, dass er morgens lüftet, ohne das Fenster nachher zu schließen und ich deshalb friere.“

In gleicher Weise können Sie bei einem Konflikt mit einer anderen Person einen präzisen Vorsatz fassen Wenn ich Dieter nächsten Dienstag beim Schwimmen sehe, werde ich ihn fragen, ob er bereit dazu ist, eine gemeinsame Lösung unseres Konflikts ...  zu suchen  

Die Bildung von präzisen Absichten ermöglicht zu kontrollieren, ob man eine Absicht verwirklicht hat oder nicht. Das ist bei vagen Absichten nicht möglicht, da ja (theoretisch) immer die Möglichkeit besteht, sie zu realisieren. Präzise Absichten ziehen so eine größere Verpflichtung zur Realisierung nach sich.

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Das folgende Beispiel verdeutlicht, wie die Beratung einer Schülerin aussehen kann, die das Gymnasium vor dem Abitur verlassen möchte.  

Jessica:

Papa, ich habe keine Lust mehr, zur Schule zu gehen. 

Vater: 

Die Schule stinkt Dir? 

Jessica:    
Ich möchte lieber eine Ausbildung machen. Der Mike, Du weißt schon, mein neuer Freund, ist ja auch in einer Ausbildung. Er wird Elektromechaniker.

Vater:     

Du meinst, wenn der Mike eine Ausbildung ohne Abitur hat, dann kannst Du das auch so machen? 

Jessica: 

Ja, und der verdient auch schon viel Geld. 

Vater:  

Du musst Dich ffinanziell zu sehr einschränken, wenn Du weiter zur Schule gehst? 

Jessica: 

Ja. 

Vater: 

Ich habe nur die Sorge, dass Du es hinterher bereuen könntest, kein Abitur gemacht zu haben. 

Jessica:

Wieso?

Vater:

Du hast mit Abitur mehr berufliche Möglichkeiten, als wenn Du Dich jetzt anderthalb Jahre vor dem Abschluss um einen Ausbildungsplatz bemühst. Du kannst zudem studieren.

Jessica:

Ich will überhaupt nicht studieren. Dann habe ich ja noch länger kein Geld.

Vater:

Dir ist das Geldverdienen im Augenblick so wichtig, dass für Dich ein Studium nicht in Frage kommt. Es kann nun aber sein, dass Du im nächsten Jahr vielleicht schon anders denkst und dann Deine Entscheidung bereust.

Jessica:

Das glaub’ ich nicht. Und im Übrigen kann ich ja das Abitur auch noch nachmachen, wenn ich es tatsächlich später haben will.

Vater:

Dir stehen auch später noch alle Wege offen?    

Jessica: 

Ja. 

Vater:   

Es kann jedoch sein, dass es dann mühseliger wird, wenn Du neben Deinem Beruf noch das Abendgymnasium besuchst. 

Jessica:  

Es gibt ja auch die Möglichkeit, eine Vollzeitschule zu besuchen. Ich weiß das von der Tanja. 

Vater:

Ein späteres Abitur muss Deiner Meinung nach nicht anstrengender sein. Das mag schon sein. Nur bist Du dann schon einige Jahre älter. Wenn Du dann noch studieren willst, dann kann es sein, dass Du als älterer Hochschulabsolvent schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hast.

Jessica:

Trotzdem stinkt es mir, dass ich sehr wenig Geld habe. Ich bin ja durch den Mike viel mit Leuten zusammen, die viel Geld haben, weil die arbeiten. Die können sich viel mehr leisten als ich.   

Vater: 

Das ist für Dich frustrierend zu sehen, dass andere mehr ausgeben können.

Jessica:

Ja, genau.

Vater:

Hättest Du mehr Geld, wäre es kein Problem, weiter zur Schule zu gehen?

Jessica:

Ich bin mir nicht sicher.

Vater:

Du meinst, es gibt noch andere Gründe?

Jessica leise:

Ich weiß es nicht so genau.

Vater:

Du möchtest jetzt nicht weiter darüber sprechen?

Jessica:

Ja.

Vater:

Wenn Du Dich dafür entscheidest, weiter zur Schule zu gehen, könnte ich mit Mama einmal darüber reden, ob wir Dein Taschengeld aufbessern können. Solltest Du noch über andere Dinge mit mir sprechen wollen, so können wir das gerne machen.  

Jessica:

In Ordnung. 


Im Fallbeispiel will Jessica nicht mehr zur Schule gehen, weil sie Geld verdienen möchte. Der Vater bewertet dieses zwar negativ, hört seiner Tochter jedoch zunächst einmal nur aktiv zu, um sie so besser verstehen zu können. Sodann teilt er seiner Tochter die Be-sorgnis darüber mit, dass sie die Schule verlassen will, indem er ihr einige negative Folgen ihres Verhaltens benennt. Zugleich hört er ihr bei Widerstand auf seine Äußerungen aktiv zu. Das Gespräch mit dem Vater führt auch dazu, dass Jessica nachdenklicher wird, und man gewinnt den Eindruck, dass der Wunsch, die Schule zu verlassen, ggf. von weiteren, wenngleich nicht genannten Gründen abhängt, über die Jessica jedoch nicht (zum jetzigen Zeitpunkt) reden will. Schließlich bietet der Vater ihr für den Fall, dass sie die Schule wegen mangelnden Geldes verlassen will, eine Lösung an.



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Empfehlungen zur Reaktion auf unannehmbares Verhalten 

Führt eine andere Person ein unannehmbares Verhalten aus, so sollte zunächst einmal überprüft werden, ob ein Bedürfnis oder ein Wert beeinträchtigt wird. 

Liegt ein bedürfnisbeeinträchtigendes Verhalten vor, so sollte dann geklärt werden, ob dieses anzusprechen oder zu  ignorieren ist. Dieses ist dann abhängig vom Ausmaß der Störung. 

Gegebenenfalls wird die andere Person überfordert, wenn sämtliches bedürfnisbeeinträchtigendes Verhalten angesprochen wird. Dies gilt für Beziehungen, wo sich Personen fast täglich und zudem über einen längeren Zeitraum sehen. 

Deshalb kann es auch manchmal ratsam sein, eine Beseitigung eines unannehmbaren Verhaltens auf anderen Wegen anzustreben, wie z. B. über die  Veränderung der Umgebung. Möglicherweise kann man auch lernen, mit geringfügigen Beeinträchtigungen besser zu leben. Dieses lehrt zumindest die kognitive Verhaltenstherapie. 

Soll das unannehmbare Verhalten angesprochen werden, so ist zu überlegen, wann dieses erfolgen soll. 

Zu beachten ist, dass für ein solches Gespräch Zeit zur Verfügung stehen sollte, um in Ruhe reden zu können: Sowohl derjenige, der ein Problem ansprechen will, sollte Zeit haben, als auch derjenige, mit dem man sprechen möchte. 

 

Darüber hinaus sollten Beeinträchtigungen nicht im Zustand hoher emotionaler Erregung (Ärger) angesprochen werden, da sonst die Gefahr des Sendens von Du-Botschaften besteht (siehe hierzu auch (3). 


Schließlich ist zu überlegen, wie ein Verhalten angesprochen werden soll (ein entsprechendes Formblatt findet sich am Ende des Kapitels). Eine derartige Vorbereitung ist dabei umso wichtiger, je wünschenswerter eine Verhaltensänderung angesehen wird.